Der Brexit und seine Bedeutung für unseren Whisky

Wird Whisky teurer?

Die Abstimmung am 23.6.2016 für den Austritt Großbritanniens aus der EU hat viele Politiker und Medienvertreter überrascht. Die Polls (Umfragen) zeigten für lange Monate einen deutlichen Vorsprung für die Remain-Befürworter (Kein Austritt). Doch das Leave-Lager (für Austritt) gewann an Zustimmung. Dass es am Ende für einen Austritt gereicht hat, hat selbst mich überrascht. Ich ging davon aus, dass das Ergebnis wie beim Schottland-Referendum im Herbst 2014 knapp werden würde. An einen Brexit habe ich persönlich jedoch nie geglaubt.

Der Austritt aus einer Gemeinschaft bedeutet immer eine Zunahme an Unsicherheit. Doch wie bei einer zerrütteten Ehe, erscheinen manches Mal die Chancen beim Lösen einer Verbindung größer als die Nachteile. Ob das wirklich der Fall ist, weiß man immer erst hinterher. Und genau das macht die Unsicherheit aus.

 

Die Finanzmärkte reagierten sofort. Während seit 2013 das Pfund immer stärker wurde und unseren Whisky verteuerte, stürzte das Pfund nach Bekanntwerden des Ergebnisses gewaltig ab. Doch so schlimm, wie die Presse es vermeldete, war es dann auch wieder nicht. Es bewegt sich immer noch mit Wechselkursen zum Euro, wie wir sie 2013 das letzte Mal gesehen hatten. Sinkende Währungskurse bedeuten immer eine Behinderung des Imports. Für Großbritannien wird es damit teurer, Waren aus dem Ausland zu kaufen. Im Gegenzug wird exportierte Ware, wie unser Whisky, auf den Zielmärkten billiger. Man kann zu besseren Bedingungen exportieren. Ein sinkendes Pfund sollte dem britischen Export deutlich helfen.

 

Nun kommt die große Frage nach Zöllen auf. Wird die EU Zölle, und insbesondere auf schottischen Whisky, erheben? Die Frage ist durchaus berechtigt, denn in Brüssel sind ziemlich viele Verantwortliche sauer und werden wohl ein Exempel statuieren wollen. Doch wenn ein Land von einem Handelspartner einen Zoll 'aufgedrückt' bekommt, dann ist das ein zweischneidiges Schwert. Denn das benachteiligte Land wird seinerseits Importzölle auf die importierten Waren erheben. Und an dieser Stelle lohnt sich ein Blick in die europäischen Handelsbilanzen. Und hier finden wir seit über einem Jahrzehnt einen negativen Saldo in Großbritannien vor. Aktuell beträgt er -150 Mrd. Euro. Und das wichtigste Exportland in der EU ist Deutschland mit einem Überschuss von 250 Mrd. Euro. Großbritannien importiert Waren im Wert von 90 Mrd. vor allem aus Deutschland, gefolgt von Niederlande, Frankreich, Belgien und Italien. Auf diese würde Großbritannien ebenfalls Zölle erheben. Und das schadet der EU mehr als Großbritannien, da die Handelsbilanz von Großbritannien negativ ist. Die Wahrscheinlichkeit für Zölle auf unseren Whisky ist damit klein.

 

Es findet sich in der Literatur eine Zahl von 550 EUR pro Hektoliter (1 hl = 100 Liter) reinem Alkohol als Verbrauchssteuer in der EU. Das hat mit Zöllen nichts zu tun. Dies ist ein Wert für die Mitgliedsstaaten, wie hoch die Verbrauchssteuer in einem Land mindestens sein sollte. Deutschland liegt bei 1.303 EUR pro hl reinen Alkohol. Whisky wird von der heimischen Verbrauchssteuer befreit in jedes Land geliefert. Erst dort schlägt jedes Land seine eigene Verbrauchssteuer auf den Whisky auf. Da diese Verbrauchssteuer von der Zollbehörde erhoben wird, kommt es hier oft zu Missverständnissen.

 

In den kommenden zwei Jahren (eher drei Jahren) wird die EU mit Großbritannien den Austritt verhandeln und entsprechende Handelsvereinbarungen schließen. Es gibt da einige Beispiele. So gehört Norwegen zum europäischen Wirtschaftsraum EWR (EEA). Mit der Schweiz gibt es dagegen eine Menge bilateraler Abkommen. Kanada hat mit der EU das CETA-Abkommen verhandelt und die Türkei und die EU befinden sich in einer Zollunion, in der keine Zölle erhoben werden. Allen diesen Abkommen gemein, ist eine weitgehende Reduktion oder Vermeidung von Zollsätzen, um den Handel zu fördern. Und diese werden auch für unseren Whisky gelten. Schließlich ist nach dem Erdöl der Whisky eine der größten Exportwaren der Briten. Doch auch wenn Zölle erhoben würden. Im Durchschnitt betragen diese für Importe in die EU zwischen 2,5-3,5%. Nichts, was nicht durch einen schwächeren Pfundkurs kompensiert werden könnte.

 

Aktuell sinken die Importpreise für Whisky, da das Pfund gefallen ist, und Großbritannien sich noch in der EU befindet. Doch die Differenz wird sich nicht sofort positiv auf unseren Whiskypreis auswirken. Da der Großteil der Waren nur zwischen Niederlassungen von Konzernen bewegt wird, kommt deren interner fixer Umrechnungskurs zum Tragen. Dies ist eine wichtige interne Finanzgröße. Den ändert man nicht gerne, weil dann die automatische, interne Verrechnung viel komplizierter würde. Typischerweise wird dieser Kurs nur jährlich angepasst. Binnen Jahresfrist müsste aus diesen Gründen nichts an unseren Whiskypreisen passieren.

 

Vorsichtige Menschen sollten ihre Whiskyvorräte jedoch sehr bald aufstocken. Veränderungen bedeuten auch immer Risiken. Risikobereite Kunden dürfen dagegen ruhig etwas warten, weil ein weiter sinkender Wechselkurs die Chance für Preissenkungen bietet.

 

Ich selbst mache mir um den Brexit keine größeren Sorgen. Die Menschen in Großbritannien sind genauso nett wie in Deutschland. Und nette Menschen finden immer zum Handeln zueinander. Denn nur aus Handel entsteht Wohlstand. Und darauf aufbauend können wir gegenseitig die Früchte unserer Arbeit genießen. Für uns ist das nun mal Whisky.

Nachtrag Herbst 2023 von Horst Lüning

Am 31. Januar 2021 erfolgte schließlich der Brexit. Die große Irritation durch geänderte Handelsprozesse erfolgte jedoch nicht. Die Verzögerungen in den Auslieferungen betrugen dennoch mehrere Wochen. Da dies alles bekannt war, konnten wir von Whisky.de unsere Lager zuvor mit einem Sicherheitspuffer auffüllen. Genau das taten Importeure bzw. Distributeure ebenfalls, so dass es nicht zur befürchteten ‚großen Versorgungskrise‘ kam.

Einige Flaschen waren jedoch knapp und auch die gestiegene Bürokratie führte zu zusätzlichen Kosten, die auf die Preise umgelegt werden mussten. 2021 war dann auch das Jahr, in dem die Inflation für Nahrungsmittel dann spürbar auf Werte um 5% anstieg. Allerdings hatte dies weniger mit dem Brexit als den gestiegenen Energiepreisen zu tun. Über die Jahre 2022 und 2023 stieg die Inflation für Nahrungsmittel weiter auf 15% bis 20% pro Jahr. Glücklicherweise hat sich diese Entwicklung nur zum Teil auf unseren Whisky ausgewirkt. Immer noch finden sich hochwertige Whiskys, deren Preise sich -zu vor 30 Jahren- gar nicht oder nur wenig verändert haben.