Warten auf die Krise

Welche Whiskys soll man sammeln?

In den vergangenen Monaten haben sich bei uns die Anfragen von Kunden nach sammeltechnisch wertvollem Whisky stark vergrößert. In den Jahren zuvor wurden wir von Zeitungen und Magazinen bereits für spezielle Berichte befragt.

Warum kommen gerade jetzt diese Anfragen vermehrt auf uns zu?

Die Staatsschuldenkrise wirft ihre Schatten über uns alle. Anscheinend sicher ist nur, dass der Staat seine Schulden ausschließlich vermehren kann. In unserer jüngeren Geschichte haben wir in Deutschland zwei katastrophale Staatspleiten erlebt, die im kollektiven, gesellschaftlichen Bewusstsein präsent geblieben sind. Große Angst vor einer Hyperinflation geht um.

Wir Deutsche sparten in der Vergangenheit vor allem in Lebensversicherungen und Bankpapieren. Die aktuellen Banken-Enthüllungen, die Skandale der öffentlichen Landesbanken und die Erkenntnis, dass auch die Rendite der Lebensversicherungen mit der gesetzlichen Änderung der Bewertungsreserven zusammenbricht, fördert das Umdenken in Deutschland. Realwirtschaft lautet das Stichwort. Statt sein sauer verdientes Geld irgendwelchen undurchsichtigen Verwaltern zu übergeben, sucht der Deutsche nach realen Investitionsmöglichkeiten. Der Aktienmarkt wäre eigentlich die richtige Alternative in der Realwirtschaft. Doch der Deutsche ist unsicher. Zu oft haben 'verwaltete' Fonds ihm auch Verluste beschert.

Bei der Suche nach sicheren Geldanlagemöglichkeiten stürzten sich 2011 und 2012 alle auf Immobilien. Hier hat die Blase ein Maximum erreicht, das rentable Mietzinsen nicht mehr wahrscheinlich erscheinen lässt.

Die Lösung?

Investieren Sie in seltene, schottische Single Malt Whiskys! Sagenumwobene Renditen wie beim ersten Black Bowmore aus den Jahren 1994 und 1995 versprechen Wertsteigerungen von Tausenden Prozent.
Doch Achtung! Gibt es eventuell doch Risiken?

Sammelt man Whisky, so muss man sich sehr genau überlegen, was die wirklichen Preistreiber bei diesen Flaschen sind. Als Beispiel sind hier die uns regelmäßig erreichenden E-Mails von Erben genannt. Bei der Auflösung so mancher Keller werden Whiskyflaschen gefunden und wir werden nach finanziellem Rat gefragt. Regelmäßig lautet die Frage, wie viel Geld nun die 50-jährige Flasche Johnnie Walker Red Label oder Jim Beam White Label wert wäre.

Leider müssen wir in diesen Fällen fast immer die Luft aus diesen Spekulationsblasen ablassen. Der Whisky in der Johnnie Walker Flasche aus dem damaligen PX-Shop (amerikanische Besatzungszeit) ist nämlich nur im herkömmlichen Sinn 50 Jahre alt. Der vergleichsweise einfache Blended Whisky in diesen Flaschen wurde meist nur 3 Jahre in Eichenfässern - dem gesetzlichen Minimum für einen Scotch Whisky - gereift. Beim Bourbon sind es sogar nur zwei Jahre. Nur in dieser Zeit im Fass hat der Whisky sein Eichenaroma aus der Wand des Eichenfasses übernommen. Während der vergangenen 50 Jahre im feuchten Keller des Beerbten fand dagegen so gut wie keine chemisch-physikalische Reaktion mehr in der neutralen Glasflasche statt. Geschmacklich hat der Whisky im Keller nicht zugelegt. Ganz im Gegensatz zu einer Weinflasche, in der tatsächlich eine langsame Oxidation stattfindet. Whisky ist dagegen eine Spirituose, die während der Erhitzung bei der Destillation vollständig oxidiert wurde. Für einen Sammler haben wir es also mit einem dreijährigen Whisky zu tun, der 50 Jahre nahezu unverändert in einem Keller lag. Geschmacklich sicherlich keine Offenbarung auch wenn es interessant sein mag, einmal eine Flasche aus einer früheren Produktion zu probieren.

Der globale Whiskyexport der Schotten eilt seit dem Krieg von einem Rekord zum nächsten. Lediglich zeitweilig unterbrochen von ein paar Rezessionsjahren. Als Sammler sollten wir uns bewusst sein, dass von der Milliarde an jährlich exportierten Whiskyflaschen immer ein gewisser Teil nicht konsumiert wird und in den Kellern der Erbonkel landet. Bei Megasellern wie den großauflagigen Blended Whiskys auf einen Gewinn zu setzen, ist deshalb nie eine gute Idee.

Jetzt höre ich schon die ganzen kleinen Rädchen in den Köpfen der Spekulanten klicken. „Ha, jetzt rufe ich im The Whisky Store an und lasse mich von den Experten in Sachen Whisky-Sammeln beraten! Dann kann nichts schief gehen.“

Ist das wirklich so? Wöchentlich erhalten wir mittlerweile mehrere E-Mails mit ebensolchen Fragen nach sammeltechnisch wertvollen Flaschen. Was glauben sie, was passiert? Wir geben natürlich immer die selben Hinweise. Nach bestem Wissen und Gewissen, da wir ja keinen unserer Kunden benachteiligen wollen. Ja, wir sind sogar noch einen Schritt weiter gegangen und haben ein Video über gewinnträchtige Whiskysammlungen für Alle gedreht, das mittlerweile 100.000-mal abgerufen wurde.

Am Ende ist es wie auf der Pferderennbahn. Wenn sich der Geheimtipp erst einmal herum gesprochen hat, sinken die Quoten.

Beim Sammeln muss man darauf hinweisen, dass der Ankauf von Whiskyflaschen aus privater Hand ein gehöriges Risiko beinhaltet. Besonders alten Flaschen aus Italien haftet der Ruf von Fälschungen an, der durch einen großen Skandal mit alten Macallan-Abfüllungen befördert wurde. Was hier als vergleichsweise einfach zu erkennende Problematik aussieht, birgt noch ein zweites Problem. Was macht sie als Sammler so sicher, dass sie ihre heute gekauften Flaschen in 20 Jahren ohne Probleme werden verkaufen können? Werden die zukünftigen Sammler unkritischer sein, als sie heute? Eine gute Idee ist es sicherlich, eine Originalrechnung des ursprünglichen Kaufs vorweisen zu können. Und dabei sollte auf die Reputation des Händlers ebenfalls Wert gelegt werden. Eine Rechnung von Krach & Co. oder einem Garagenversand kann dagegen zu Abschlägen im zukünftigen Ergebnis führen.

Grundsätzlich muss man beim Sammeln mehrere Strategien unterscheiden. Die erste Frage lautet: Sammelt man für sich oder für einen späteren Verkauf? Und wenn man später verkaufen will: Richtet man seinen Verkauf eher an den erneuten Sammler oder doch eher an einen Genießer?

Sammelt man für sich selbst, so sollte man die Flaschen öffnen und einer ersten Geschmackskontrolle unterziehen. Nichts ist blöder, als in 20 Jahren einen verkorkten Whisky zu öffnen (Chance 1:2.000) oder viel wahrscheinlicher einen Whisky im Glas zu haben, der Einem nicht schmeckt. Entnimmt man nur wenig Whisky einer Flasche, so lässt er sich wieder ordentlich verschließen. Wer sicher gehen will, der umwickelt den Flaschenkopf zusätzlich mit Parafilm aus dem Laborbedarf. Das macht auch Sinn bei den Flaschen der Wertsammler, da damit die Verdunstung der original verschlossenen Flasche über den Korken über die Jahrzehnte minimiert wird.

Achten sie unbedingt darauf, dass sie die Flaschen auf keinen Fall liegend aufbewahren. Whisky hat im Gegensatz zum Wein keinen Einmalkorken sondern einen lockerer sitzenden Gebrauchskorken. Dieser neigt zum Tropfen und im schlimmsten Fall zu Auflösung.

Hat dem Genusssammler der Whisky über alle Maßen geschmeckt, dann sollte er unbedingt eine weitere Flasche sofort nachkaufen. Denn nichts ist ärgerlicher, als später festzustellen, dass die Flasche nicht mehr erhältlich ist oder eine spätere Charge andere Geschmacksnoten aufweist. Whisky ist nun mal ein Naturprodukt und Unterschiede zwischen einzelnen Fässern und Abfüllchargen existieren. Bitte beachten sie, dass sich eine einmal geöffnete Whiskyflasche nicht mehr verkaufen lässt. Sie müssen sie zwingend selbst oder mit Freunden leeren.

Richtet man seine Sammlung auf Wertsammler aus, so sollte man weniger zu den unabhängigen Abfüllungen greifen. Diese unabhängigen Abfüllungen stehen zwar für besondere Geschmackserlebnisse, da die Chargen meist kleiner als bei den Brennereiabfüllungen sind. Oft wird sogar jedes Fass einzeln abgefüllt. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Originalabfüllungen später höhere Preise erzielen. Natürlich gewinnen meist auch die unabhängigen Abfüllungen. Doch die Preissteigerungen bei den Originalen fallen größer aus. Bestes Beispiel sind die Port Ellen Annual Releases. Sie erzielen auf Versteigerungen regelmäßig doppelte Preise im Vergleich mit den Unabhängigen.

Mittlerweile sind die Preissteigerungen beim Scotch Single Malt Whisky weithin bekannt. Die Brennereien gehen dazu über, die Spekulationsgewinne des ersten Jahrzehnts gleich auf den Preis ihrer seltenen Stücke aufzuschlagen. Man muss als Spekulant also einen langen Atem haben, um bei diesen teuren Flaschen am Ende doch zu einem Schnitt zu kommen.

Die in Renditeprozenten pro Jahr ausgedrückte Wertsteigerung ist damit bei den oben genannten teuren Abfüllungen nicht wirklich hoch. Viel interessanter sind für den Sammler Flaschen, die beim Erscheinen zwischen 50 und 100 EUR kosten. Billiger sollte man nicht einkaufen, da man dort in den Konsumbereich kommt, der von Wertsammlern (ihre späteren Abnehmer) in der Regel verschmäht wird. Der Johnnie Walker Red Label, den wir am Anfang dieses Newsletters erwähnt haben, gehört in diese nicht gesammelte Whisky-Gruppe.

Teurer als 100 EUR sollte man auch nicht einkaufen, denn man findet nach einer 100 oder gar 200-prozentigen Wertsteigerung nur noch wenige 'geldige' Käufer.

Ein paar kleine Tipps möchte ich zum Ende des Newsletters noch geben. Limitierte Flaschen sind immer eine gute Idee zu sammeln. Am besten mit Einzelnummerierung und explizit angegebenen Jahrgang. Dann kann man sich (fast) sicher sein, dass später keine den Preis drückende Flaschen nachkommen können. Hat man Whiskys einer geschlossenen oder besser noch abgerissenen Brennerei vor sich, so ist es unwahrscheinlich, dass zukünftige Flaschen preiswerter als die aktuellen Flaschen verkauft werden.

Ganz zum Schluss macht noch die Reputation einer Brennerei bei der Wertentwicklung einen Unterschied. Whiskymarken, die schon lange gesammelt werden, wie z.B. Macallan oder Bowmore, erzielen regelmäßig höhere Erlöse, als die jungen 'Noname-Brennereien' der Blendindustrie. Wer hat schon einmal eine teure Dailuaine oder Glendullan gesehen?

Das schönste an einer Whiskysammlung ist aber der Umstand, dass man jede Flasche jederzeit seiner finalen Bestimmung zuführen kann. Briefmarken kann man dagegen nicht essen ;-)