Think global, act local

Neue Stars am Whiskyhimmel

Haben Sie schon einmal unter Whiskykennern herum gefragt, wie die meistverkaufte Whiskymarke der Welt heißt? Die typischen Antworten lauten Johnnie Walker, Jack Daniel's und Jim Beam. Vor einigen Jahren stimmte das auch. Jack Daniel's schlug damals Jim Beam als bestverkauften amerikanischen Whiskey, nachdem sie sich für ihren Tennessee Whiskey zuerst ein eigenes Marktsegment geschaffen hatten. Da sie gegen Jim Beam nicht gewinnen konnten, schufen sie sich ihr eigenes Marktsegment, das des Tennessee Whiskeys, in dem sie per Definition die Nummer 1 waren. Ein genialer Schachzug. Gleichzeitig konnte sich Jim Beam weiterhin als der meistverkaufte Kentucky Straight Bourbon bezeichnen.

Johnnie Walker dagegen wollte immer die Nummer 1 unter allen globalen Whiskymarken sein. Früher hielt Johnnie Walker die Spitzenposition unangefochten allein mit dem Johnnie Walker Red Label. Nach der Jahrtausendwende wurde es auf einmal eng. Der große Verfolger war damals Jack Daniel's, der mit einem unglaublich gelungenen Marketingspagat sowohl die hippe, junge Zielgruppe als auch die reiferen Semester weitflächig erreichte. Als der Abstand zum Verfolger immer kleiner wurde und die Genießer mehr und mehr vom Red Label auf den Black Label wechselten, legte man in Schottland für die Statistik kurzerhand die Verkaufszahlen dieser beiden Flaschen zusammen und sicherte sich so weiterhin die Spitzenposition in der globalen Rangliste der bestverkauften Whiskys.

Warum sind manche Firmen so begierig, die Pole-Position in den Verkaufszahlen einzunehmen? Kann man sich nicht mit einem ehrenwerten zweiten oder dritten Platz zufrieden geben? Leider ist das heute nicht mehr so. In der modernen Markenartikelwelt ist meist nur Platz für einen Spitzenreiter. Google, Facebook und Amazon repräsentieren solche Spitzenreiter in unserer modernen Welt. Es gibt aber auch noch Marktsegmente, die von zwei konkurrierenden Unternehmen beherrscht werden. Coca Cola und Pepsi oder McDonald's und Burger King.

Der Grund für diese Polarisierung ist vermutlich in der Kostensituation zu suchen. Den Marktführern fällt es weitaus leichter Kunden zu erreichen. Denn die Meisten kennen den Spitzenreiter. Man muss sich als Anbieter nur ab und zu in Erinnerung rufen und keine Millionenschweren Marketingkampagnen fahren. Es läuft alles wie von selbst. Und die großen Einkaufsmengen stellen sicher, dass man immer die besten Preise bei den Lieferanten bekommt. Wer es dann noch schafft, wie Jack Daniel's oder Apple für seine Produkte Spitzenpreise unter der Anhängerschaft zu erzielen, kann sich wie die Made im Speck fühlen.

Einmal Marktführer, immer Marktführer? Muss man grobe Fehler machen, um seine Spitzenposition zu verlieren? Wohl nicht. Es geht auch anders. Aktuell ist die jährliche Studie 'The Millionaires' Club 2013 des Drink's International Magazin erschienen. In ihm werden die meistverkauften Spirituosen, getrennt nach Kategorien, aufgelistet (Link zum Blogbeitrag). Die Nachricht schlug ein, wie eine Bombe. Johnnie Walker Red und Black Label belegen nicht mehr die Spitzenposition. Stattdessen hat sich McDowell's No. 1 an die Spitzenposition geschoben.

McDowell's No. 1 ?

Wenn ich ehrlich bin, dann kannte ich diesen Whisky nicht einmal. Dieser Blended Whisky wird von United Spirits in Indien hergestellt. Und da die Wirtschaft in dem aufstrebenden Vielvölkerstaat boomt wie selten zuvor, verlangt der neu entstandene Mittelstand verstärkt nach den ersten Luxusprodukten, wie dem bis dato unbekannten McDowell's No. 1.

Der Hauptunterschied zwischen McDowell's No. 1 und Johnnie Walker ist die Ausrichtung der Marke. Während sich Johnnie Walker seit mehr als 150 Jahren auf die gesamte Welt als Absatzmarkt konzentriert, ist McDowell's No. 1 eine lokale, indische Marke. Allein die günstigen Produktionskosten und die geringe Alkoholsteuer auf lokale Produkte lassen die örtliche Bevölkerung fast ausschließlich zu lokalen Produkten greifen. Und die schiere Menge an Indern (Bevölkerung 2011 - 1,2 Mrd.) tut das ihre, um McDowell's No. 1 zum meistverkauften Whisky auf der Welt zu machen.

Doch lässt sich indischer Whisky mit schottischem wirklich vergleichen? Vergleichen wir hier nicht Äpfel mit Birnen? Der Whisky und die Kenntnis um dessen Herstellung wurde bereits in der Kolonialzeit im 19. Jahrhundert von den Briten mit nach Indien gebracht. Das führte in Folge dazu, dass noch heute Whisky im schottischen Geschmacks-Stil die populärste Spirituose in Indien ist. Doch während schottischer Whisky durch und durch aus Getreide hergestellt wird, unterscheidet sich der indische Blended Whisky erheblich von dem der westlichen Welt. Unser preiswerte Blend besteht aus einer Mischung von industriellem Grain Whisky aus ungemälztem Getreide und einem Schuss Malt Whisky als Gewürz. Der Inder dagegen stellt seinen industriellen Alkohol aus Melasse her, der seinerseits mit Malt Whisky abgeschmeckt wird.

Wenn man den Marktkennern glauben darf, so wird 90% des indischen Blended Whiskys eben aus Melasse und Malt Whisky hergestellt. Die Melasse fällt als Nebenprodukt bei der Zuckerherstellung an. Wenn man es mit den alkoholischen Definitionen genau nimmt, so ist Indischer Whisky eine Mischung aus Rum und Whisky, wie wir ihn kennen. Dürfen wir damit die indischen Whiskys im Vergleich zu den schottischen abwerten? So einfach ist das nicht, wenn man sich nicht erneut den kolonialen Hut aufsetzen will. Indischer Whisky ist unglaublich populär. Unter den globalen Top 10 Whiskys stammen sieben allein aus Indien.

Das muss man sich einmal vor Augen führen. Im Reigen der zehn meistverkauften Whiskys der Welt befinden sich nur noch zwei 'nicht-indische'. Johnnie Walker belegt Platz 2 und Jack Daniel's Platz 8. Nicht umsonst ist Indien nach Schottland und noch vor den USA das zweitgrößte Whisky herstellende Land der Welt. Und damit verbietet es sich von selbst, dass man den indischen Melasse-Whiskys die Bezeichnung Whisky verwehren dürfte. Neben Scotch, American und Irish gibt es in Zukunft also auch noch indischen Whisky.

Lassen wir unsere Gedanken noch weiter in die Zukunft schweifen. Indiens Wirtschaft wächst seit Jahren doppelt bis dreifach so stark wie die westliche Welt. Entsprechend wird der Whiskykonsum in der indischen Gesellschaft weiter stark ansteigen. In wenigen Jahren werden deshalb Johnnie und Jacky auf der globalen Top 10 Liste nicht mehr zu finden sein. Und was machen die globalen Konzerne wie Diageo (Johnnie Walker) in der Zukunft? Lassen die sich die Butter vom Brot nehmen?

Auf der einen Seite kämpft die Scotch Whisky Association, die Industrievereinigung der schottischen Whiskyhersteller, dass Indien die extremen Importzölle von über 400% auf schottischen Whisky spürbar reduziert und Scotch Whisky für den neuen, indischen Mittelstand erschwinglich wird. An dieser Front wurden auch bereits die ersten Erfolge erzielt. Doch Indien ist ein föderaler Staat, bei dem die einzelnen Bundesländer eigene Importzölle erheben. Und auf ausländischen Whisky werden wohl immer noch mehr als 100% Zoll erhoben. Je größer die indische Volkswirtschaft wächst und je mehr sie in die Welt exportieren, um so mehr werden sie sich den Weltzollabkommen anschließen müssen. Das hat China bereits vorgemacht.

Der indische Gegenspieler zu Diageo, dem größten Spirituosenhersteller der Welt, heißt United Spirits. Sie sind allein mit vier Whiskys unter den globalen Top 10 vertreten. Doch anstatt sich auf den indischen Markt zu beschränken war United Spirits in Schottland auf Einkaufstour und hat den schottischen Whisky-Hersteller Whyte & Mackay mit seinen Firmen Invergordon, Dalmore, Fettercairn, Tamnavulin und Jura gekauft.

In der jüngeren Vergangenheit kaufte sich Diageo über seine niederländische Tochterfirma Relay BV mit 27,4% bei der indischen United Spirits Ltd ein. Aktuell versucht Diageo weitere 26% der zirkulierenden Aktien zu erwerben und so eine komfortable Mehrheit an United Distillers zu erreichen.

Dieser Schachzug von Diageo ist klug gewählt. Seit Jahren zeigen Studien immer öfter, dass der Verbraucher lokale Marken, vor allem wenn sie preiswerter sind, globalen Marken vorzieht. Damit ist anscheinend der Siegeszug der internationalen Whiskymarken zu einem vorläufigen Ende gekommen.

Uns Genießer interessiert dagegen vor allem, wie es unserem geliebten Single Malt Scotch Whisky ergehen wird. Indien und China, die Nationen, die weltweit am stärksten und nachhaltigsten wachsen, haben großes Interesse an 'unserem' Single Malt gefunden. Brennereien wurden bereits gekauft und die exportierten Mengen steigen von Jahr zu Jahr. Die große Gefahr droht weniger aus China, die auch andere alkoholische Getränke lieben. Sollte Indien seine Importzölle weiter reduzieren, so wird die auf Whisky so versessene Bevölkerung mehr und mehr Single Malt von unseren Märkten nach Asien ziehen.