Golf oder Black Bowmore

Im Blog von The Whisky Store haben wir letztlich zwei besondere Flaschen probiert. Einmal den Black Bowmore, den wir als 1.000tes Video online gestellt haben und den Octomore Meleanger, der zu den rauchigsten Whiskys der Welt gehört.

Beide Whisky haben ihren (hohen) Preis. Während beim Black Bowmore in der sich anschließenden Diskussion nicht der Preis von über 4.000 Euro sondern die Glückwünsche zum 1.000 Video im Vordergrund standen, echauffierten sich die feinen Geister an den 298 Euro, die für die sechsjährige Directors Abfüllung des Octomore aufgerufen werden.

Es war die Rede vom Gipfel der Geldschneiderei und dass heute aus jeder durchschnittlichen Ware das Maximum an Preis herausgeholt werden würde.

Lassen Sie uns an dieser Stelle etwas verharren und einen Blick in die Vergangenheit werfen. Wie konnte es überhaupt zu dieser Octomore Abfüllung kommen? Die Brennerei Bruichladdich wurde durch ihren damaligen Besitzer Jim Beam Brands in den Jahren 1994/95 stillgelegt. Es gab genug Malt Whisky für die Blends der eigenen Marken Whyte & Mackay und Invergordon. Im Jahr 2000 war dann der Entschluss bei den US-Amerikanern soweit gereift, dass die Brennerei für einige Millionen Pfund an ein privates Käuferkonsortium verkauft werden konnte. Statt nun mehrere Millionen diesem Deal hinterher zu werfen und die Brennerei volle Pulle wie z.B. bei der Übernahme von Ardbeg durch Louis Vuitton Moet Hennessey wieder mit Leben zu erfüllen, mussten sich die über 60 Köpfe zählenden privaten Investoren jedes Pfund aus den Rippen, sprich der eigenen Geldbörse, schneiden.

Was lag da näher, als die neuen Direktoren der Brennerei auch in Form von Whiskyfässern zu bezahlen. Diese Art der Bezahlung ist nicht neu. Seit jeher gibt es diese Form der Entlohnung. Aktiengesellschaften entlohnen ihre Chefs mit einem Teil Aktien oder Aktienoptionen und Whiskybrennereien entlohnen halt mit Whiskyfässern. Was man so im Überfluss hat. Das hat auch seine Vorteile. Die Direktoren kümmern sich vorwiegend darum, dass ihre Aktien oder Whiskyfässer besonderes viel Wert werden. Private und Firmenziele decken sich. Besser geht es nicht.

Doch kommen wir zurück zur Diskussion um die 300 Euro, die für jede dieser Whiskyflaschen aus den Directors Casks verlangt werden. Auch bei Macallan gab es diese Flaschen. Peter Fairlie, ehemaliger Brand Director bei Macallan, verkaufte seine Flaschen unter dem Namen Scotmalt von Morrison Fairlie. Damals machte man jedoch keinen großen Hype um diese Flaschen, weil die Hauptversorgung von Macallan die Genießer befriedigte. So fristeten diese Flaschen nur ein Nischendasein – obwohl sie von herausragender Qualität waren. Dies dürfte auch der Grund gewesen sein, warum in der Vergangenheit diese Directors Fässer in den allermeisten Fällen von den Direktoren zurück an die Brennerei verkauft wurden.

Zu groß ist der Aufwand, um eine eigene Whiskyserie für wenige Tausend Flaschen zu entwerfen. Dann gilt es Großhändler zu finden, die diese Flaschen auch vertreiben. Schließlich ist der Nachschub dieser Flaschen begrenzt und für jede Flaschen eigene Positionen im Warenwirtschaftssystem anzulegen und dies weiter bis in die Verkaufssysteme der Einzelhändler zu bringen. Außerdem stellt sich die Frage, ob man alle Flaschen in einem einzelnen Land an den Gourmet bringen wird. Fragen über Fragen, die im Großteil der Fälle für einen Rückverkauf an die Brennerei oder existierende unabhängige Abfüller sprachen. Diese wollten natürlich damit ihren eigenen Ruf mehren und sprachen nicht darüber, dass diese Flaschen von den Direktoren und nicht irrlaufende unterdurchschnittliche Fässer von den Blendern waren.

Die Diskussion im Blog entwickelte sich anschließend in die übliche Neiddebatte, die dem Deutschen ja angeboren scheint. Doch dieses Mal ging die Diskussion tiefer. Man löste sich vom Neid und diskutierte die Fragen, die sich dahinter stellten.

Sind die Brennereien schamlos, wenn sie sich dem Konsumenten mit Tradition, Naturbelassenheit und höchste Qualität anbiedern und dann für sechsjährige Whiskys 300 Euro verlangen? Doch hier vermischen sich zwei unterschiedliche Vorgehensweisen. Ein ehemaliger Direktor versucht aus seinem variablen Gehaltsbestandteil im Nachhinein das Maximum herauszuholen. Der neue Eigentümer macht es ihm dabei auch reichlich einfach, weil man dem Markt nicht genügend Originalware liefern kann. Sowie der Original-Octomore in der X-ten Version zu üppigen Preisen auf den Markt kommt, ist er auch schon vergriffen. Da lässt man dem Direktor reichlich Luft für eine eigene Abfüllung. Doch es stellt sich auch die Frage, ob der Direktor damals wirklich das Wohl des Unternehmens im Sinn hatte oder eher sein eigenes. Vielleicht wollten jedoch die Co-Direktoren nicht so viel Octomore produzieren und er sprang als Voraussehender in die sich bietende Lücke? Wir wissen es nicht – solche Entscheidungen hört man, wenn überhaupt, vielleicht abends am Kamin aber bestimmt nicht in der Öffentlichkeit.

Diese negativen Gedanken entstehen derzeit jedoch wegen einer zweiten Vorgehensweise. Immer mehr Brennereien füllen nur kurz gereiften Single Malt Whisky unter den schönsten Fantasienamen ab, versehen die Flaschen mit den Attributen Tradition, Naturbelassenheit und höchste Qualität und verkaufen sie als gefühlte Mogelpackungen zu höchsten Preisen an die nach Abwechselung lechzenden Kunden. Doch am Ende sind die hohen Verkaufspreise der Directors Abfüllung und der Abfüllung jungen Whiskys durch die Brennerei Spiegelbild der selben Problematik. Es gibt zu wenig altgereiften Whisky in den Lagerhäusern in Schottland.

Gleichzeitig gibt es aber zu viel Geld in der Gesellschaft. Das klingt beim allgegenwärtigen kollektiven Klagen unserer Medien um das Einkommen der Deutschen jetzt etwas zynisch. Doch wenn wir im The Whisky Store in der Lage sind unser zugeteiltes Auriverdes Kontingent in wenigen Stunden zu verkaufen, dann kann man bei diesen großen Flaschenmengen nicht von Geldknappheit in Deutschland sprechen.

Der User kraeftigen_2.0 brachte diesen Umstand im Blogbeitrag zum Octomore Meleanger treffend zum Ausdruck. Diese teuren Single Malt Whiskys sind Luxusartikel, die die Welt nicht existenziell braucht. Niemand braucht eine S-Klasse, um einen Weg von A nach B zurückzulegen. Wenn wir nüchtern darüber nachdächten, würden wir alle Golf fahren.

Und auch hier dürfen wir wieder nachfragen. Ein VW Golf ist alles andere als ein billiges Auto. Ein Dacia oder gar ein Tata nano wären wirklich billig. Die Nennung eines VW Golfs als Beispiel zeigt, was als grundlegender Wohlstand in Deutschland angesehen wird. Das Auto für Alle. In Indien wäre dies jedoch der Tata nano – nein falsch! Der Tata nano ist in Indien ein Ausdruck besonderen Wohlstands.

Mit einem Wodka aus dem Supermarkt kann man sich auch betrinken. Ein Whisky als im Eichenholz gereifte Spirituose ist also aus diesem Blickwinkel von Natur aus unnötig. Stellt sich die ultimative Frage, ob ein Wodka zum Betrinken notwendig ist? Lassen wir das mal so stehen. Betrachtet man den Whisky jedoch als Genussmittel, das einem mit jedem weiteren Dram mehr an Aromen-Erkenntnissen vermittelt, dann kann man den Wunsch der Genießer verstehen, auch mal extreme Whiskys zu probieren. Wenn dann jedoch ein dreistelliger Preis aufgerufen wird, dann stockt doch der Finger an der Maus über dem Warenkorbsymbol.

Am Ende muss jeder Genießer für sich selbst entscheiden, wie viel Geld er für seinen Whisky ausgeben möchte und vor allem kann. Es macht sicherlich keinen Sinn, als Student mit begrenztem Einkommen sich eine Flasche Black Bowmore zu kaufen. Doch Vorfreude ist die schönste Freude. Als Student hat man das Potenzial im weiteren Verlauf des Lebens so viel Geld zu verdienen, dass man sich – falls man wirklich will – auch so eine Flasche irgendwann leisten kann. Und wenn man das in einigen Jahrzehnten dann auch wirklich kann, dann stellt man sich selbst die Frage, ob man das wirklich will.

Im The Whisky Store haben wir tatsächlich bis zum 1.000sten Video gewartet, bis wir uns den Black Bowmore geleistet haben. Hat es sich gelohnt? Ich glaube schon. Man kann nicht hochwertigen Whisky in ganz Deutschland verkaufen und bei der ultimativsten aller Whiskyfragen am Ende passen. Als privater Whiskygenießer hätte ich jedoch bei der Flasche gekniffen. Für diesen Preis hätte man so viele andere Whiskyflaschen probieren können. Und das wäre mir viel wichtiger gewesen, als eine solitäre Flasche zu probieren.