Tennessee Whiskey

Etwas Besonderes oder ein Gag des Marketings?

Im vergangenen Monat hielt ich das erste Mal die neue Flasche Jack Daniel's No 27 Gold in den Händen. Auf dem Etikett stand groß Tennessee Whiskey. Doch was ich sonst auf dem Etikett laß, ließ mich verwundert den Kopf schütteln. Dort stand in großen Lettern: 'Double Barreled, Extra matured in Maple Barrels'.

Wie bitte? Eine Nachreifung? Ich dachte in den USA wäre die Reifung in frischen, nicht zuvor verwendeten Fässern aus amerikanischer Weißeiche Pflicht? Wie kann man nun ein zweites Mal in Ahorn reifen? Gibt es ein besonderes Gesetz für Tennessee Whiskey?

In den vergangenen Jahren hatten wir auch für kurze Zeit einen neu erschienenen Prichard's Tennessee Whiskey im Programm. Hier wunderte es mich damals, dass bei diesem Tennessee Whiskey nicht auf das Charcoal Mellowing-Verfahren, also die Filterung durch Holzkohle, hingewiesen wurde. Ein Gedanke, der sich jedoch nicht lange hielt, weil die Flaschen nicht lange vorrätig und schnell vergriffen waren.

Heute ist es nun endlich Zeit, etwas tiefer in die Materie zu gehen. Fragen wir uns, was ist Tennessee Whiskey? Der landläufigen Meinung nach ist Tennessee Whiskey ein Bourbon, der zusätzlich durch eine Schicht Holzkohle gefiltert wurde. So wurde es seit Jahrzehnten von den Marktteilnehmern, allen voran Jack Daniel, kommuniziert.

Gesetzlich galten für Tennessee Whiskeys jedoch die identischen Vorschriften des Bourbon Acts aus dem Jahr 1964, die für alle Bourbons aus USA gelten. Es gab keinen Tennessee Whiskey Act. Hält man die Regeln des Bourbon Acts exakt ein, so darf man sein Produkt Bourbon nennen. Beachtet man etwas schärfere Regeln, so darf man sich Straight Bourbon nennen. Liegt die eigene Brennerei im Bundesstaat Kentucky, so kann man sich zusätzlich Kentucky Straight Bourbon nennen.

Ist also ein Tennessee Whiskey ein besserer Bourbon, weil er den zusätzlichen Produktionsschritt Holzkohlefilterung beinhaltet? Mit Nichten! Niemand verbietet es der restlichen Bourbonindustrie der USA, ebenfalls zu filtern. Und das wird auch tatsächlich gemacht. Nur auf das Etikett schreibt man es selten drauf. Denn es ist unter Genießern nicht unumstritten, dass diese Filterung zu besserem Whiskey führt. In Schottland reitet man seit einigen Jahren erfolgreich die 'Natürlichkeitswelle', nach der naturbelassener und nicht kühlgefilterter Scotch Whisky angeblich besser schmeckt, als gefilterter. Wir haben im The Whisky Store einen großen Blindversuch mit über 1.000 Proben und über 100 Genießern durchgeführt und konnten wenig Qualitätsunterschiede zwischen kühlgefilterten und nicht kühlgefilterten Whiskys feststellen.

Bourbon ist nicht Scotch und die oben genannten Ergebnisse müssen sich nicht übertragen lassen. Dennoch erscheint mir diese Abgrenzung über das Filtern des Tennessee Whiskeys gegenüber den Bourbons aus anderen Staaten für willkürlich und ausschließlich dem Marketing geschuldet. Frei nach dem Motto: Kannst Du in deiner Kategorie nicht der Führende sein, so mache eine eigene Kategorie auf, in der Du diese Position inne hältst.

Völlig aus dem Ruder lief die Definition der Tennessee-Kategorie, als die lobbyierenden Marktteilnehmer aus Tennessee den Gouverneur Bill Haslam 2013 soweit hatten, dass er ein lokales Gesetz unterzeichnete, nachdem Tennessee Whiskey tatsächlich mit Aktivkohle gefiltert sein muss. So wie es seit über 150 Jahren geschichtlich überliefert ist. Dumm war nur, dass die wieder eröffnete Brennerei Prichard auf eine noch längere schriftlich überlieferte Geschichte zurückgreifen kann, nach der damals in ihrem Haus nicht gefiltert wurde. Also schrieb man diese Ausnahme in das Gesetz mit hinein.

Diese Ausnahme brachte nun weitere Marktteilnehmer, auch neugegründete Microdistilleries auf den Plan, die in dieser willkürlichen Festlegung eines Produktionsverfahrens eine Beschränkung ihrer verfassungsrechtlichen Freiheit wittern. Eine Klageserie bis vor die höchsten Gerichte erscheint wahrscheinlich.

Doch was ist nun mit der Nachreifung in Ahornfässern? Denke ich länger über diese Nicht-Eichenfässer nach, so fällt mir auch die Flasche Jim Beam Distiller's Masterpiece ein. Ein Kentucky Straight Bourbon, der in spanischen Pedro Ximenez Sherry-Fässern nachreifen durfte. Wenn also in Kentucky und in Tennessee Nachreifungen möglich sind, dann muss die anfangs geäußerte Einschätzung der ausschließlichen Reifung in amerikanischer Weißeiche aus dem Bourbon Act nicht stimmen.

Und richtig. Schlägt man die Bestimmungen nach, so ist nur eine zweijährige Reifung in frischen Fässern aus amerikanischer Weißeiche Pflicht. Es steht aber nicht angegeben, was man anschließend mit dem so gereiften Whiskey machen kann bzw. darf. Und hier setzt nun die Kreativität der Whiskeyhersteller an.

Abschließend kann man sich überlegen, ob solche gesetzlichen Einschränkungen von Vorteil sind oder eher nicht. Es gilt, den Spagat zwischen Beibehaltung von Traditionen und geschmacklichen Innovationen zu absolvieren. Ist man zu restriktiv, so wird man keine neue Kundschaft von seinem Produkt begeistern können. Vor allem nicht die Abwechslung suchenden Genießer und den Nachwuchs, bei dem es nicht modisch und abgefahren genug sein kann. Ist man dagegen zu innovativ, erkennen die langjährigen Kunden ihre Marke nicht wieder und wenden sich ab. Spontan fällt mir da die Zigarettenmarke Camel ein. Einst unter den Marktführern kämpfte sich der rauchende Globetrotter als Werbeikone allein durch den Dschungel. Als später die Marke auf ein Plüschkamel umschwenkte, sattelten die Kunden lieber auf einen Mustang im Marlboro County um. Es braucht nur wenige Fehlentscheidungen und kurze Zeit, bis eine Marke in den Grundfesten erschüttert ist. Heute hat Camel keine Bedeutung mehr im Zigarettenmarkt.

Mit dem Jack Daniel's No 27 Gold begibt man sich nun bei Jack Daniel auf einen neuen Pfad. Auf der einen Seite behält man das traditionelle Charcoal Mellowing-Verfahren bei. Und auf der anderen Seite verwendet man ungewohnt süße Ahornfässer, die neue Kundenschichten ansprechen können. Wir werden sehen, wie die Kundschaft auf diese Innovation reagiert. Derzeit wird der No 27 nur in wenigen Zielmärkten angeboten. Man lotet vorsichtig aus, ob das der richtige Weg ist.