Das Wasser des Lebens

Warum Wasser für unseren Whisky so wichtig ist

Whiskybrennereien wurden in Schottland schon immer am Ufer eines Flusses errichtet. Und dabei geht und ging es seit Jahrhunderten nicht nur um eine ergiebige und saubere Quelle. Genauso wichtig wie die Quelle ist der Fluss, der ganzjährig reichlich Wasser führen muss.

Die Unterscheidung zwischen Fluss- und Quellwasser ist unmittelbar einleuchtend. Für das Ansetzen der Maische nimmt man frisches Quellwasser, da bei ihm die Verschmutzung durch fremdes Oberflächenwasser nicht gegeben ist. Alle Brennereien sind deshalb stolz auf ihre Wasserquellen und nennen ihre Namen. Wer ganz besonders sicher gehen will, der fasst seine Quelle wie Tomatin hoch oben am Berg, damit das Wasser nicht noch Mineralien auf seinem Weg ins Tal aufnimmt.

Flusswasser wird dagegen 'nur' als Prozesswasser bzw. Kühlwasser verwendet. Wir erinnern uns mit einem Schmunzeln an die aus alter Zeit überlieferten Aktionen in den kleinen, ländlichen Gemeinden. Hier gab der Bürgermeister regelmäßig bekannt, dass der örtliche Bach an gewissen Wochentagen nicht zur Verklappung von Abwässern verwendet werden durfte, weil zu diesen Tagen Bier gebraut wurde und eben dieses Wasser für das Bier aus dem Bach genommen wurde. Auch in Schottland haben einzelne Brennereien wichtige Grundstücke für ihre Wasserversorgung aufgekauft. Durch die Trennung des Wassers für den Whisky und die Kühlanlagen hat man in Schottland schon sehr früh diese Problematik erst gar nicht aufkommen lassen.

Wozu benötigt man nun das Flusswasser in Schottland? Die vergorene Maische, im Englischen 'wash' genannt, wird mit Hilfe einer Wärmequelle wie Gasbrennern oder Heißdampf in den Brennblasen zum Kochen gebracht. Die aufsteigenden alkoholischen Dämpfe werden über den Lynearm in die Kondensatoren geleitet. Früher waren diese Kondensatoren Rohrspiralen aus Kupfer, die in hölzerne Wasserbottiche (engl. worm tub) getaucht waren. Das kühle Flusswasser wurde oberhalb der Brennerei gefasst und per Rohrleitung zur Brennerei geführt. Dort leitete man es durch die Wasserbottiche, damit sich die Dämpfe wieder zum Rohwhisky verflüssigten. Das Wasser erwärmte sich dabei ein wenig und wurde anschließend unterhalb der Brennerei wieder dem Fluss zugeführt.

Heute sieht der Kühlwasserprozess etwas anders aus. Statt das Wasser über Kilometer flussaufwärts per Schwerkraft der Brennerei zuzuführen, pumpt man es direkt an der Brennerei vom Fluss empor. Allerdings sind die worm tubs, bis auf eine Handvoll Brennereien, abgeschafft und durch moderne Gegenstromkühler ersetzt worden. Sie sind sparsamer im Wasserverbrauch. Damit die Whiskydämpfe dennoch lang genug mit dem katalytisch agierenden Kupfer in Kontakt kommen und sich der Geschmack gegenüber früher nicht verändert, bestehen die modernen Kühler ebenfalls aus Kupfer.

Es ist schade, dass die mit viel Aufwand erzeugte Hitze zur Destillation über das Kühlwasser so schnell wieder abgeführt wird. Einzelne Brennereien wie Tomintoul haben sich deshalb zusätzliche Wärmetauscher einfallen lassen, mit dem ein Teil dieser Prozesswärme für die spätere erste Erhitzung z.B. des Wassers für die Maischetonne (engl. mash tun) wiederverwendet wird.

Obwohl es in Schottland fast jeden Tag regnet, so herrscht in manchen Regionen, vor allem auf den Inseln, über den Sommer Wasserknappheit. Brennereien wie Ardbeg und Talisker haben deshalb in den Hügeln oberhalb der Brennerei Wasserreservoirs angelegt, die sich über die Wintermonate mit dem kostbaren Nass füllen und über den Sommer die Herstellung nicht gefährden. Das Loch Uigeadail oberhalb Ardbeg hat Berühmtheit durch den gleichnamigen Whisky erlangt.

Anderen Whiskybrennereien fehlten die nahegelegenen Hügel zur Errichtung eines Reservoirs. So ging es auch der Brennerei Banff in der nördlichen Speyside. Der Fluss, an dem die Brennerei lag, lieferte im Sommer einfach zu wenig Wasser. Der Whisky wurde damit zu heiß destilliert und konnte nicht stark genug abgekühlt werden. So schmeckte der Whisky, der in den Sommermonaten produziert wurde, deutlich schlechter als der vom Winter.

Es folgte, was folgen musste. Die Banff Brennerei schloss wegen mangelnder Qualität und wurde schließlich abgerissen. Wie gut die verbliebenen Sammlerflaschen nun schmecken? Das hängt sehr wahrscheinlich vom Produktionsmonat ab.

Auch die Brennereien am größten Fluss der Speyside, dem Spey, blieben vom Wassermangel im Sommer nicht verschont. Die 1898 gegründete Brennerei Knockando ließ sich deshalb schon im vorletzten Jahrhundert etwas Besonderes einfallen. Als erstes platzierte man die Kondensatoren nicht im heißen Brennhaus, sondern unter einem Schatten spendenden Vordach im Freien. So konnte die kalte Luft die Kühlung der Whiskydämpfe unterstützen und die Kondensatoren blieben selbst im Schatten. Zusätzlich schloss die Brennerei für die regelmäßigen Wartungs- und Reinigungsarbeiten im Sommer und nicht über Weihnachten, wie ansonsten üblich.

Da die Brennerei deshalb notgedrungen mit den Jahreszeiten leben musste, nennt Knockando seine Whiskyjahrgänge auch heute noch Seasons. Auf jeder Flasche, sei es 12, 15, 18 oder 21 Jahre, ist zusätzlich das Destillationsdatum der Season vermerkt. Als schöner Nebeneffekt finden Sie so Flaschen, die zu Geburtsjahrgängen oder Jubiläen vom Jahrgang her passen. Aktuell sind die Jahrgänge 2004, 1998, 1996 und 1994 erhältlich.

Gutes, reines Quellwasser ist also nicht als einziges für die Qualität unseres Whiskys verantwortlich. Auch reichlich frisches Prozesswasser sorgt dafür, dass unser Whisky so gut schmeckt, wie er schmecken soll. Am Ende ist dies nicht nur ein schottisches Problem. Es gilt für alle Whiskys auf der Welt.