Das Whisky Oligopol

Als ein Oligopol bezeichnet man eine Marktsituation, in der es nur wenige Anbieter gibt. Typisches Beispiel ist die Mobilfunk-Industrie. Wenn wir uns eine SIM-Karte für ein Mobiltelefon kaufen, können wir nur zwischen drei sehr vergleichbaren Netzen wählen. Unsere deutschen Preise für die Gesprächsminute lagen deswegen über Jahrzehnte nahezu an der Weltspitze.

Das Schlimmste an einem Oligopol ist aber nicht unbedingt die Übervorteilung des Verbrauchers. Immerhin gibt es ja noch eine begrenzte Konkurrenz. Jede Preisänderung eines Anbieters hat aber gravierenden, ja existenzbedrohenden Einfluss auf die anderen Anbieter im Oligopol zur Folge. Schaffte es ein Anbieter, seine Preise um 25% zu senken, müssten die wenigen Teilnehmer im Oligopol ebenfalls die Preise zurücknehmen, um nicht viele ihrer Kunden an den günstigeren Anbieter zu verlieren. Diese erzwungene Rücknahme der Preise würde den Unternehmen massive Verluste und der Belegschaft eine harte Zeit bescheren – die Automobil-Industrie lässt grüßen.

Auch im Whiskymarkt gibt es oligopolistische Tendenzen. Acht Konzerne mit Milliardenumsätzen mit alkoholischen Getränken teilen sich den Whiskymarkt auf. Sie sind: Bacardi, Brown-Forman, Campari, Diageo, Jim Beam Suntory, Pernod Ricard, LVMH und Wm. Grant & Sons. Der Trend zu immer größeren Unternehmen ist unverkennbar und folgt dem Trend in anderen Weltwirtschaftszweigen. Selbst Seagram’s, das ehemals größte Whisky-Unternehmen der Welt, wurde zwischen den Mega-Unternehmen zerrieben. Wo ist das Ende? Eine Wirtschaftstheorie besagt, dass es in jeder reifen Branche letztendlich nur zwei große Konkurrenten geben kann: Cola und Pepsi, McDonald’s und Burger King oder Jim Beam und Jack Daniel’s.

Positiv muss man den Konzernen anrechnen, dass sie den von Schließungen gebeutelten schottischen Whiskybrennereien über die großen Krisen des 20. Jahrhunderts hinweg geholfen haben. Besonders hart traf die Whiskyindustrie die große britische Rezession von 1980 bis 1990. Nach dieser schwierigen Zeit sieht man heute jedoch Veränderungen. Private Brennerei-Neugründungen und Wiedereröffnungen geschlossener Brennereien haben die Anzahl der unabhängigen Kleinunternehmungen in dieser Branche wieder deutlich erhöht.

Oligopolistische Tendenzen sind seit mehr als 100 Jahren in der schottischen Whisky-Industrie zu beobachten. Deutlichstes Anzeichen ist die Abnahme der produzierenden Brennereien von 120 in den 1980er Jahren auf nur noch knapp über 80 im Jahr 2000. Zog man die 10 unabhängigen Brennereien von dieser Zahl ab, so verblieben im Schnitt 9 Brennereien pro Megakonzern. Tatsächlich sind die Brennereien aber sehr ungleichmäßig verteilt. Allein der Konzern Diageo besitzt mehrere Dutzend Brennereien.

Die Vorgehensweise bei den Brennereischließungen war fast immer die gleiche: Der Zwang zu Kostenreduktionen zwingt die Konzerne, in den am meisten nachgefragten Brennereien und bei den am kostengünstigsten produzierenden Brennereien auf einen Dreischichtbetrieb umzustellen. Dieser Dreischichtbetrieb verteilt die fixen Unternehmenskosten wunderbar auf die dreifache Produktionsmenge und der Whisky wird in der Herstellung deutlich billiger. Da auch die moderneren Brennereien bevorzugt werden und sich Investitionen in diese Brennereien wegen der höheren Produktionsmenge schneller rechnen, zeigen sich recht schnell Brennereien, für die sich weitere Investitionen im Vergleich nicht mehr lohnen. Sie wurden in der Regel zunächst einmal vorrübergehend stillgelegt.

Stieg die Nachfrage nach diesen Malts im Markt nicht wieder an, so wurden diese Brennereien endgültig geschlossen und später abgerissen. Da die Nachfrage sehr stark von der Werbung der Konzerne abhängig ist, hatte ein so zurückgefallener Malt kaum noch die Chance auf eine Wiederbelebung. Glücklich konnte sich eine Brennerei schätzen, wenn das rationalisierende Unternehmen beschloss, eine Brennerei zu verkaufen anstatt abzureißen. So ist es auch geschehen mit den Brennereien: Ardbeg, Benriach, Benromach, Bladnoch, Bruichladdich und Bunnahabhain.

Hartnäckig hält sich in der Whisky-Gemeinde die Vorstellung, dass für die Blendherstellung viele verschiedene Malt Whiskys erforderlich sind. Von bis zu 40 Malts pro Blendmarke ist die Rede. Doch bereits im 19. Jahrhundert kauften die Whiskybarone wie Buchanan, Walker und Dewar die wichtigsten Malt Whisky Brennereien für ihre Malt Whiskys, um unabhängig von der Konkurrenz zu werden. Heute ist die Industrie schon deutlich weiter. Man besitzt nicht nur die wichtigsten Malt Whisky Brennereien, man hat auch ausreichend viele Ausweichbrennereien, um sämtliche Zutaten für einen Blend im eigenen Haus zu erstellen.

Das beste Beispiel für diese neu gewonnenen Fähigkeiten war der vorübergehend produzierte Pure Malt Cardhu. Ursprünglich war Cardhu ein Single Malt, hergestellt in der gleichnamigen Brennerei. Doch die hohe Nachfrage zwang den Hersteller einen gleich schmeckenden Pure Malt aus wenigen anderen Brennereien zu komponieren. Das Ergebnis schmeckte verblüffend gleich zum Original.

Mit der Entflechtung der Brennereien für die Blendherstellung wurde auch der Berufsstand der Whiskybroker überflüssig. Waren Sie vor dem Jahr 2000 noch elementarer Bestandteil der Whiskyindustrie, in dem sie die unterschiedlichsten Whiskysorten und Fässer zwischen den Unternehmen vermittelten, so benötigt man sie heute fast nicht mehr. Aber gerade dieser Berufsstand förderte die unabhängigen Abfüller (UA), also die Unternehmen, die die verschiedensten Malt Whiskys fassrein in die eigenen Flaschen abfüllt. Nur mit dem Zugriff auf Broker hatten die UA (unabhängige Abfüller) den Zugriff auf einzelne Fässer auch der abgelegensten Brennereien. Mit dem Aussterben der Broker wurde auch die Szene der UA ärmer.

Doch kein Oligopol hält ewig. Unerwartete Entwicklungen und Technologien sorgen für Überraschungen, die ganze Branchen durcheinanderwirbeln konnten.

Den öffentlich sichtbaren Anfang machte die Brennerei Ardbeg. Vom Konzern Allied Domecq vernachlässigt und schließlich geschlossen trauerten die Liebhaber dieser besonderen Brennerei ihren fantastischen Whiskys nach, nachdem die Brennerei 1981 in der großen Britischen Rezession schließen musste. Doch auch im Konzern gab es Tendenzen, diese Brennerei nicht dem Abrissbagger zu opfern. Jedes Jahr wurde für ein paar Monate weiterhin Whisky gebrannt. Einmal um die Anlagen funktionsfähig zu erhalten aber auch, um die Lager nicht ganz leer werden zu lassen.

1997 war es dann soweit und das damals noch relativ kleine Unternehmen Glenmorangie PLC kaufte die Brennerei und fuhr sie wieder hoch, betrieb Marketing und machte aus ihr eine bis dahin ungesehene Erfolgsstory.

Kein Erfolg ohne Nachahmer. Im Dezember des Jahres 2000 wechselte die eingemottete Brennerei Bruichladdich, ebenfalls auf der Insel Islay, den Eigentümer und legte in den folgenden Jahren eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte hin.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Wie Pilze im Herbst begannen überall in Schottland neue Whiskybrennereien aus dem Boden zu sprießen. Ab dem Jahr 2010 hatte es der letzte Investitionswillige begriffen, dass hier ein Boom begonnen hatte. Heute sind im Vergleich zum Jahr 2000 rund drei Dutzend Brennereien neu oder wiedereröffnet in Betrieb gegangen.

Was war geschehen? Weshalb wurden diese Brennereien eröffnet?

Jedes Oligopol birgt die Gefahr, dass es sich die Beteiligten im System zu bequem machen. Wie kann ein Unternehmen es rechtfertigen, bei Produktionskosten von 3 bis 4 Euro pro verpackter Flasche Single Malt Whisky auf dem Markt 40 Euro und mehr zu verlangen? Konzerne habe auf der einen Seite einen gewaltigen Kostenvorteil durch ihre schiere Größe. Der Fachmann nennt das Skaleneffekte oder Economy of Scales. Bei einer Verdopplung einer Produktion sinken nach einer alten Faustformel die Kosten um 30%.

Doch mit wachsender Größe steigen auch die Ineffizienzen und die Konzernbürokratie. Je mehr Menschen und Abteilungen sich Arbeiten teilen, um so komplexer wird das Gesamtsystem. Und ineffiziente Systeme bedürfen besonders viele Mittel, um sie am Laufen zu erhalten. Und genau an dieser Stelle öffnete sich ein Fenster für junge, dynamische Unternehmen, die die Jahrhunderte alte Whiskyindustrie begann aufzumischen.

Heute gehören die wieder eröffneten Brennereien wie Ardbeg und Bruichladdich längst wieder Großkonzernen und Neue Wilde haben ihren Platz übernommen. Aus dem alten Oligopol ist zu unserem Vorteil wieder ein dynamischer Marktplatz mit einer hohen Produktvielfalt geworden. Sicherlich wird die Hälfte der jungen Brennereien scheitern. Es gibt vielfältige Gründe dafür. Falsche Lage, zu geringe Kapitalmittel, fehlendes Know How, usw. Doch ein guter Teil der Neugründungen wird überleben.

Geben Sie den jungen Brennereien eine Chance. Sie haben sie sich redlich verdient.